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Der Fundus ist im Bühnenheim unterm Dach. Gunda Uphoff (links) und Anja Seemann (hier mit Kleidern aus den 70er-Jahren) verwalten die Kleidungsstücke und Accessoires. Fotos. Magret Martens

Gefühl für Stoffe, Größen und Charaktere

Anja Seemann und Gunda Uphoff verwalten den umfangreichen Kleider-Fundus der Norder Bühne

Von Magret Martens

Die Niederdeutsche Bühne Norden studiert ein neues Theaterstück ein. Schon zu Beginn der Proben wird besprochen, welche Kleidungsstücke, Accessoires und Requisiten die Darstellenden benötigen, denn je eher sie diese einsetzen, umso besser können sie in die jeweiligen Rollen hineinschlüpfen. Hinsichtlich dieser Ausstattungen sind Anja Seemann und Gunda Uphoff dann die richtigen Ansprechpartnerinnen für die Regisseurinnen und Regisseure, denn sie betreuen den Fundus der Norder Bühne.

Dieser ist seit 2014 im Dachgeschoss des Bühnenheims untergebracht  und bietet Platz für viele Kleider, Blusen, Hemden, Röcke, Hosen, Westen, Anzüge, Jacken, Mäntel, Schürzen, Gehröcke, Fräcke, Umhänge  und vieles mehr. An beiden Seiten befinden sich lange Stangen, die links die Damenbekleidung aufnehmen und rechts die Herrenmode. In den Dachschrägen dahinter stapeln sich auf Regalen Gardinen, Decken, Schürzen, Unterwäsche, Blusen und Hemden. Und am Ende des Raumes stehen selbst gebaute Kommoden, deren Schubladen Tücher, Schals, Gürtel, Krawatten, Hosenträger, Handschuhe, Brillen, Schmuck und Ähnliches beherbergen. Wandregale mit einer großen Auswahl an Zylindern, Hüten und Taschen komplettieren den Fundus.

„Unsere Bühnenbauer haben diesen gut klimatisierten Raum dort damals mit viel Liebe zum Detail in Eigenleistung geschaffen, sodass wir nun sehr komfortable Bedingungen haben“, berichten Seemann und Uphoff sichtlich erfreut. Zuvor sei der Fundus im Erdgeschoss in einem fünfmal drei Meter großen Raum neben der Probebühne untergebracht gewesen. „Der war viel zu klein, völlig überfüllt sowie feucht  und kalt. „Viele Dinge mussten wir schon wegwerfen, weil sie Schaden genommen hatte. Es bestand also dringender Handlungsbedarf für neue und gut zu belüftende Räumlichkeiten“, sagen sie. Dies sei von enormer Bedeutung, denn im Fundus gebe es einige Schätzchen,  wie alte Fräcke, Gehröcke oder historische Kleider. „Da ist es schöner, wenn man alles besser aufhängen und verwahren kann“, betont Anja Seemann. Die Sachen kämen jetzt viel besser zur Geltung , und alles sei übersichtlich und geordnet.

Die Bühne habe viele edle Spender für Bekleidung und Accessoires. Vieles müsse aber heute abgelehnt werden, weil der Platz dafür fehle. „Wir können nur noch besondere Stücke annehmen, wie Mode aus bestimmten Zeitabschnitten wie die 50er-, 60er- oder 70er-Jahre“, erläutert sie.
Pelze würden ohnehin nicht mehr entgegengenommen. Erstens sei dies ethisch nicht mehr vertretbar, zweitens könnten die Darstellenden es in Pelzen auf der Bühne nicht aushalten, weil es ihnen darin – unter anderem auch wegen der Beleuchtung – viel zu warm werde. „Wir freuen uns nach wie vor über Bekleidungsspenden, bitten aber darum, dass man uns vorher anruft. Wir kommen dann gern vorbei, schauen uns die Sachen an und nehmen das mit, was wir auch wirklich benötigen“, bitten Anja Seemann und Gunda Uphoff um Verständnis.

In der Regel kommt die Bühne mit dem aus, was im Fundus vorhanden ist. „Was nicht passt, wird passend gemacht“, sagt Seemann, die eine begeisterte Hobbyschneiderin und –näherin ist. Sie entwirft auch schon mal ganz neue Bekleidung wie ein Schürzenkleid, Röcke und Ähnliches, so wie 2009 in dem Stück „De lüttje Herkules“. Da wurden Samtkleider mit Kunstpelzbesatz und entsprechende Stulpen benötigt, und da es diese im Fundus nicht gab, hat Seemann sie den Schauspielerinnen entsprechend auf den Leib geschneidert. „Das hat richtig Spaß gemacht“, blickt sie zurück.

Schon in jungen Jahren hat die 56-Jährige gern Kinderklamotten genäht oder auch Blusen, Röcke und Kleider für sich. „Ich fand es einfach schön, Sachen zu tragen, die sonst niemand hat.“ Während der Corona-Pandemie hatte Seemann viel Zeit. Diese nutzte sie, um sich in Online-Nähkursen weiterzubilden. „Ich habe mir viel im Netz angeschaut und dabei auch einiges Neues dazugelernt. Ich hoffe, dass wir bald mal wieder ein Kostümstück aufführen und ich dafür etwas nähen kann“, sagt sie.

„Man bekommt einen Blick dafür, was den Leuten passt oder nicht“, erzählt Seemann. „Häufig hole ich ein Kleid oder einen Anzug hervor und höre dann von den Darstellenden: Das passt mir nicht. Ich sage dann meistens: Zieh das doch erst mal an. Und siehe da, zur Verwunderung der Betreffenden passt es dann in der Regel“, berichtet sie. Manchmal müsse hier und da eventuell etwas geändert werden, wie zum Beispiel die Länge oder Weite, aber das sei ja kein Problem.

Wer einen Kleider-Fundus verwalte, müsse einen Sinn für Stoffe haben und das Gefühl, was den Leuten stehe und was ihnen passe, erläutern die Fundus-Betreuerinnen. „Und natürlich muss man beachten, was die Regisseure sich für die Rolle vorstellen. Wir müssen uns dann überlegen, wie man den Charakter der jeweiligen Rolle mit der Kostümausstattung ausdrücken kann“, sagen sie. „Man muss sich überlegen, wie will der Regisseur oder die Regisseurin das haben, und das gelingt uns bei unseren Regisseuren ganz gut.“  Zudem sei es wichtig, sich zu informieren, was in der Zeit, in der das Stück spiele, jeweils getragen worden sei. In der Regel seien alle Größen vorhanden, „aber wir ändern die Sachen auch ab, machen sie zum Beispiel mit Stoffstreifen weiter oder mit Abnähern enger“, so Seemann.

Im Fundus befinden sich neben den Alltagsklamotten auch historische Bekleidung sowie Mode aus den 70er-, 80er- und 90er-Jahren. „Die 70er-Jahre waren durch die Polyesterstoffe geprägt und die 80er- durch die Schulterpolster“, sagt sie. Hier sei  sehr viel zu finden, angefangen bei der historischen Bekleidung bis Sachen aus der Neuzeit. Und Gunda Uphoff ergänzt: „Wir haben Hüte aus allen Epochen sowie Handtaschen, Unterwäsche mit Spitzen, Kittelschürzen und viele Accessoires wie Ketten, Broschen, Schnallen, Brillen, Haarklammern und vieles mehr. Das macht sich alles auf der Bühne sehr gut.“

„Wir haben auch sehr hübsche Ballkleider von einer Frau geschenkt bekommen, deren Mutter ihr früher für jeden Ball ein neues Kleid genäht hatte“, fährt Seemann fort. Diese Ballkleider sowie auch eine andere Kleiderlieferung passten ideal zu zwei Darstellerinnen der Bühne. „Da greift man in den Kleiderständer und holt gleich das Richtige raus. Das ist ein Vorteil“, zeigen sich Seemann und Uphoff erfreut.

Natürlich werden im Fundus auch die Kostüme von dem beliebten Krippenspiel „Lebennig Krippenspill“ verwahrt,  wie die Ausstattung der Engel, Hirten, Maria und Josef, des großen Engels oder auch des Sprechers. „Das Kostüm des Sprechers habe ich selbst gemacht“, erklärt Seemann und führt aus, wie sie den roten Überwurf und die Mütze mit Hundert kleinen Perlen besetzt hat.

„Sobald wir wissen, was für ein Stück geplant wird, gehen wir in den Fundus und suchen schon mal gewisse Kleidungsstücke und Accessoires heraus. Es ist wichtig, dass wir uns rechtzeitig darum kümmern, falls etwas geändert, neu angefertigt oder sogar besorgt werden muss“, berichten die Frauen.

Es komme oft vor, dass in letzter Minute vor oder auch während der Aufführung noch eine geplatzte Naht geschlossen oder Knöpfe wieder angenäht werden müssten. „Oder man versieht die Kleidungsstücke mit Klettverschlüssen statt mit Knöpfen, damit die Darstellenden es beim schnellen Kostümwechsel leichter haben“, sagt Seemann. Und mancher brauche doch noch einen Keil in der Hose, um das Bäuchlein darin besser unterbringen zu können…, verrät sie schmunzelnd.

Den Fundus-Betreuerinnen macht diese ehrenamtliche Arbeit sehr viel Spaß: „Vor allem, wenn man sieht, wie sich die Darstellenden plötzlich in ihrer Haltung verändern, sobald sie ihr Kostüm tragen, denn je nach Rolle gehen sie nun aufrechter, selbstbewusster, langsamer oder auch gebückter über die Bühne. Dass man dies mit der Bekleidung und Ausstattung so positiv beeinflussen kann, ist schön“, betonen sie.

Weitere Informationen dazu sind beim Vorstand erhältlich, und zwar
beim Bühnenleiter Dieter Hattermann (Telefon: 04938/255, Handy: 0151/15400801,
E-Mail: breepott@ewe.net),
beim Geschäftsführer Bruno Stürenburg (Telefon: 04931/167925, Handy: 0171/5248948,
E-Mail: bruno_stuerenburg@ewe.net) und
bei der Vize-Geschäftsführerin Heike Heims (Telefon: 04931/9836654, Handy: 0160/3762468,
E-Mail: heikeheims@web.de).

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