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Erste-Hilfe-Vortrag 2023

Anneliese Itzen: In der Not sofort handeln

Erste Hilfe Anschaulicher Vortrag der Rettungssanitäterin bei der Niederdeutschen Bühne Norden.

Heinz Fekken ist bewusstlos, sein Kopf liegt auf dem Tisch. Zum Glück ist diese Notlage nur gespielt. Erste-Hilfe-Referentin Anneliese Itzen erklärt vor Mitgliedern der Niederdeutschen Bühne Norden, wie im Ernstfall gehandelt werden muss. Fotos: Magret Martens

Bühnenbauer Heinz Fekken bricht am Tisch zusammen. Sein Kopf liegt auf dem Tisch. Er ist offensichtlich nicht bei Bewusstsein. Noch weiß niemand, ob er überhaupt noch atmet.
Dieses Szenario ist zum Glück nur eine Übung im Rahmen des Erste-Hilfe-Vortrags von Anneliese Itzen. Der Vorstand der Niederdeutschen Bühne Norden hat die Referentin eingeladen, die Anwesenden einmal zu informieren, was in einem Notfall zu tun ist. Nicht ohne Grund, denn gerade die Mitglieder im Kulissenbau sind besonders gefährdet. Viele von ihnen sind in einem fortgeschrittenen Alter, haben Vorerkrankungen oder auch Implantate, die unter  Umständen zu einem Zusammenbruch führen könnten. Zudem ist die Arbeit der Frauen und Männer in der Gruppe sehr anstrengend und zum Teil auch gefährlich, denn es können Kulissen umfallen, jemand kann von der Leiter stürzen oder sich beim Hantieren mit Werkzeugen verletzen. Da ist es wichtig, dass viele Mitglieder Bescheid wissen, wie sie sich im Ernstfall verhalten müssen.

Anneliese Itzen ist Lehrkraft für Erste Hilfe und Rettungssanitäterin. „Ziel der Ersten Hilfe muss sein, den Betroffenen bei Bewusstsein zu halten oder lebensrettende Maßnahmen zu ergreifen, bis der Notarzt kommt“, sagt sie und betont: „Das Schlechteste ist, nichts zu tun.“

„Er muss jetzt zuerst auf den Boden gelegt werden. Das ist sehr wichtig“, wendet sie sich Heinz Fekken zu, der das Notfallopfer spielt. Itzen zeigt Dieter Hattermann den Rettungsgriff, mit dem dieser Fekken zu Boden bringen soll. Sobald der Mann liege, müsse der Kopf  nach hinten gezogen werden, um zu prüfen, ob er noch atme, erläutert die Expertin.
„Wenn er noch atmet, muss man ihn in die sogenannte Stabile Seitenlage bringen, damit er nicht erstickt“, macht sie deutlich. Wichtig sei, dass der Kopf leicht nach hinten geneigt und der Mund noch offen sei. So blieben die Atemwege frei. Wenn möglich, solle der Betroffene zugedeckt werden. Erst wenn diese Maßnahmen erfolgt seien, müsse sofort der Notruf gewählt werden, betont Itzen. „Wichtig ist, die Person auf den Boden zu legen, wenn Heinz Fekken auf dem Stuhl geblieben wäre, hätte er nach drei Minuten nicht mehr geatmet. Man hat maximal sechs Minuten, um jemanden in dieser Situation zu retten“, sagt sie. Wenn die Person nicht mehr atme, müsse sogleich mit der Herz-Druck-Massage begonnen werden, bevor die 112 gewählt werde. Die Leitstelle gebe dann übers Telefon auch Anweisungen zur Wiederbelebung.

Herz-Druck-Massage

Wie man sich bei der Herz-Druck-Massage richtig verhält, führt Itzen an einem Dummy vor. 30-mal müsse aufs Brustbein gedrückt und zweimal eine Atemspende gegeben werden, erläutert sie. Diese Prozedur mache man insgesamt viermal, also einen Zyklus lang. „Danach ruft man den Notarzt“, sagt sie. Oft setze die Atmung dann wieder ein, danach könne man die Person in die Stabile Seitenlage bringen. Wenn nicht, müsse so lange mit der Herz-Massage und der Beatmung weitergemacht werden, bis der Notarzt da sei. „Wichtig ist, dass man kräftig aufs Brustbein drückt. Wenn dabei Rippen brechen, ist das nicht schlimm. Hauptsache, die Person wird gerettet“, betont sie.
Auf die Frage, wie man bei Personen mit einem Herzschrittmacher oder einem implantierten Defibrillator vorgehen müsse, antwortet Itzen: „Auch in solchen Fällen muss man bei einem Herzstillstand trotzdem die Wiederbelebungsmaßnahmen anwenden.“

Ferner zeigt Itzen den Einsatz eines sogenannten automatisierten externen Defibrillators (AED).  Das ist ein Gerät, das über Elektroden Stromstöße abgibt, um einen gestörten Herzrhythmus (etwa Kammerflimmern) wieder in den natürlichen Takt zu bringen. Dabei klebt man zwei Elektroden auf die Brust der betroffenen Person. Der Defibrillator kommt zum Einstatz, wenn eine Person plötzlich nicht mehr ansprechbar ist und nicht mehr atmet. Das Gerät entscheidet dann, ob eine Schockabgabe erforderlich ist oder nicht. „Der Defibrillator macht allein aber nichts. Man muss die Wiederbelebung selbst durchführen, kann aber die Anweisungen des Geräts nutzen“, erklärt Itzen.

Wenn jemand nur ohnmächtig war und wieder ansprechbar ist, sollte man ihm ein Glas Wasser reichen und  ihn selbst trinken lassen. „Niemals darf man der Person Wasser einflößen“, sagt sie.

Schock

Wenn sich jemand in einem Schock-Zustand befinde, werde er in der Regel grau im Gesicht und auf seiner Stirn bildeten sich feste Schweißperlen (Kaltschweiß). „Diese Situation ist lebensbedrohlich. Die Person muss sofort auf den Boden gelegt werden, allerdings nicht in die Stabile Seitenlage“, erläutert Itzen. Stattdessen sollten die Beine der Person etwas hoch gelagert werden, damit Herz und Gehirn besser durchblutet würden. „Die Person sollte zugedeckt werden, denn bei einem Schock friert man sehr. Dann ist sofort der Notruf abzugeben“, sagt sie. Ferner sollte man sich der Person ständig zuwenden, ihr gut zureden und sie beruhigen.
Ähnlich sei bei einer Panikattacke vorzugehen.

„Der Schock ist ein Eigenschutz des Körpers, der eine mögliche Erkrankung anzeigt. Der Puls ist ganz schnell und leise, oder er ist nicht mehr tastbar. Es kann auch sein, dass der Betroffene einen anschaut, sich aber nicht mehr bewegen kann. Der Körper versucht, sich selbst zu helfen, indem er das Blut aus den Armen und Beinen nimmt, um das Gehirn und das Herz zu versorgen. So sind die Personen dann wie gelähmt“, beschreibt Itzen die Situation.
Der Schock sei eine Symptomatik für eine Erkrankung oder er entstehe durch eine starke Blutung oder Ähnliches. „Man muss ihn erkennen und sich trauen, den Notarzt zu rufen.“ Dies gelte auch für andere Erkrankungen.

Schlaganfall

Bei einem Schlaganfall müsse zum Beispiel sofort der Notarzt gerufen werden. „Schlaganfälle sind nicht vom Alter abhängig. 20-Jährige können genauso betroffen sein wie ältere Menschen“, sagt Itzen. Sogar Kinder könnten einen Schlaganfall erleiden. Gerade habe es so einen Fall wieder in einer Kindertagesstätte in Aurich gegeben. Der Erzieherin sei aufgefallen, dass sich das Kind merkwürdig bewege. Sie habe dann mit allen Kindern verschiedene  Übungen gemacht, um zu sehen, wie sich das Kind verhalte. „Bei der Aufforderung, die Zunge rauszustrecken, war klar, dass das Kind einen Schlaganfall hat, denn es konnte die Zunge nicht mehr rausstrecken“, berichtet Itzen. Die Erzieherin habe dann sofort die 112 gewählt. „Die Zunge rauszustrecken, ist eine gute Methode, um einen Schlaganfall zu erkennen, denn die Betroffenen können das dann nicht mehr“, sagt sie. „Beim Schlaganfall zählt die erste Stunde. Es ist also wichtig, dass die betroffene Person sofort in die Klinik kommt.“

Herzinfarkt

Ein weiterer Fall für den Notarzt sei der Herzinfarkt. Die Symptome dafür seien meistens starke Schmerzen und Druckgefühl im Brustkorb. Diese könnten auf Arme, Oberbauch, Rücken, Hals, Kiefer oder Schulterblatt ausstrahlen. Die Betroffenen klagten über massives Engegefühl und Brennen in der Brust, verbunden mit Angstschweiß, Atemnot, Übelkeit und Schmerzen im Oberbauch.

Bei Frauen seien die Symptome anders. Sie berichteten von Druck- und Engegefühl in der Brust, Kurzatmigkeit, Schweißausbrüche, Rückenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen im Oberbauch, Ziehen in den Armen, unerklärliche Müdigkeit und Depressionen.

Epilepsie

Bei Kindern komme es häufig auch zu Krampfanfällen (Epilepsie), und zwar gerade im Alter von vier bis acht Jahren, informiert Itzen weiter. Bei derartigen Anfällen solle man nichts unternehmen, sondern die Personen liegenlassen und nicht festhalten. Es sei sinnvoll, auf die Uhr zu schauen, um zu sehen, wie lange der Krampf andauere. „Diese Information ist wichtig für den Arzt“, sagt Itzen.

Hirnhautentzündung

Eine weitere ernste Erkrankung sei die Meningitis oder Hirnhautentzündung, so die Expertin. Diese mache sich oft durch einen Schock bemerkbar. Die Betroffenen könnten zudem den Kopf nicht mehr auf die Brust legen. Darauf müsse gerade bei Kindern vermehrt geachtet werden. „Die Erkrankten bekommen starke Kopfschmerzen und Kaltschweiß. Dann muss sofort der Notarzt verständigt werden“, erklärt sie. Bei kleinen Kindern bis zu vier Jahren müsse immer bedacht werden, dass diese Schmerzen immer im Bauch empfinden würden. „Wenn sie den Kopf in so einem Fall nicht mehr nach vorn nehmen können, besteht die Gefahr einer Hirnhautentzündung“, weiß sie aus Erfahrung.
Übrigens könne eine zu starke Sonneneinstrahlung zu einem Sonnenstich und dann zu einer Hirnhautentzündung führen. „Die Auswirkungen von Sonneneinstrahlungen sollte man nicht verkennen.“

Aktuelle Medikamentenliste

Bei jedem Notfall sei es wichtig, die aktuelle Medikamentenliste der erkrankten Person parat zu haben, sagt Itzen. Ferner sei eine schriftliche Auflistung von weiteren Hinweisen hilfreich für den Notarzt wie Erkrankungen, Allergien, Implantate, Impfungen sowie die Nennung von engsten Angehörigen, Hausarzt und Krankenkasse. „Es ist schwierig für die Rettungshelfer, wenn sie nicht wissen, ob der Patient Medikamente und welche er einnimmt. Wenn jemand zum Beispiel Bluthochdruck-Tabletten nimmt, muss das Rettungsteam aufpassen, welche Medizin sie ihm geben“, betont sie.

SOS-Notfalldose

Hilfreich sei dabei die sogenannte SOS-Notfalldose, die im Kühlschrank aufbewahrt wird und in Apotheken erhältlich ist. „Die sollte jeder im Haus haben“, so Itzen.

Es sei zudem ratsam, auch unterwegs immer einen Zettel mit der Medikamentenliste dabei zu haben. „Und wenn man nichts einnimmt, ist der Hinweis darauf auch wichtig.“ Ebenso wichtig sei der Impfpass, damit gleich erkennbar sei, ob der Patient beispielsweise gegen Tetanus geimpft sei oder nicht, und der aktuelle Allergieausweis.

In diesem Zusammenhang rät sie der Niederdeutschen Bühne, dass die Bühnenbauenden zum Beispiel jeweils ihre aktuellen Medikamentenliste und die anderen Hinweise  in einem geschlossenen Umschlag bei der Bühne  hinterlegen. „Die Listen sollten bei Bedarf auch immer wieder aktualisiert werden“, betont sie. Es sei gut, im Vorfeld eines Notfalls alle Informationen von den betreffenden Personen zu haben, damit diese gleich professionell behandelt werden könnten. „Wenn dann noch Ersthelfer vor Ort sind, die richtig handeln, hat der jeweilige Patient ideale Voraussetzungen, um zu überleben“, macht Itzen deutlich.

Aber jede/jeder müsse auch selbst sehen, was er/sie tun könne, um im Notfall gerettet zu werden. „Zum Beispiel sollte man versuchen, die Tür aufzumachen, damit die Retter auch hineinkommen können. Außerdem sollte man das Haus beleuchten und eventuell eine Decke oder Ähnliches auf die Straße werfen, um die Retter auf das Haus der betroffenen Person aufmerksam zu machen. Sobald man merkt, das einem schwindelig oder schlecht wird, ist es ratsam, sich auf den Boden zu legen. Dann sollte man versuchen, zur Tür zu robben und diese zu öffnen, bevor man die 112 wählt“, erklärt sie.

Schnittwunden

Bei Schnittwunden gilt: Wenn das Blut dunkelrot ist, dann sollte die Wunde sofort verbunden und anschließend von einem Arzt behandelt werden. „Wenn das Blut hellrot ist, herausspritzt und schaumig wird, muss die Person gleich auf den Boden gelegt werden“, sagt sie. Die Wunde müsse sofort mit einem Druckverband versorgt oder abgedrückt werden, bevor der Notarzt verständigt werde. „Im Verbandskasten sind entsprechende Verbände vorhanden. Wenn der nicht zur Hand ist, kann man etwas anderes nehmen, das nicht durchlässig ist oder letztlich die Wunde mit der Hand zudrücken.“, betont sie.

Schnittwunden am Finger könnten mit einem Pflaster versorgt werden. „Als Ersthelfer darf ich ohnehin nicht mehr machen. Die weitere Behandlung gehört in die Hand eines Arztes.“ Bei Kindern dürfe man ebenfalls nicht mehr unternehmen. Bei ihnen dürfe man als Ersthelfer aus rechtlichen Gründen auch keinen Splitter oder eine Zecke entfernen, sondern man müsse die Eltern rufen.

Vergiftungen

Auch Vergiftungen gehörten zu häufigen Notfällen, fährt Itzen fort. Sie könnten viele Ursachen haben wie durch Pflanzen, Medikamente, verdorbene Lebensmittel und Ähnliches. Bei Giftnotrufzentren könne man Informationen zu Erste-Hilfe-Maßnahmen erhalten (Telefon 0551/19240). Ferner gebe es eine sogenannte BfR-App, über die man sich informieren könne.

„Wenn das Leben in Gefahr ist, dann muss man helfen, egal, was der Mensch sonst noch hat. Man sollte keine Angst vor den Erste-Hilfe-Maßnahmen haben und immer daran denken, das Menschenleben zu erhalten“, betont Anneliese Itzen zum Schluss. Der Vorsitzende Dieter Hattermann bedankt sich bei der Referentin für den sehr interessanten Vortrag. „Alle unsere Fragen wurden beantwortet. Wir haben viel gelernt und wertvolle Tipps erhalten, die wir umsetzen werden“, sagt er.

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